Bonus-Etappen: Von Santiago nach Fisterra und Muxía und wieder zurück - ein langer Abschied

29. Mai bis 2. Juni. Viele Pilger verlängern ihre Reise und gehen im Anschluss noch drei bis vier Tage weiter ans Meer nach Fisterra oder Muxía. Für mich war aber in Santiago mit dem Wandern Schluss, ich hatte genug und brauchte etwas Erholung. Deshalb fuhr ich mit dem Flixbus nach Fisterra, also ans Ende der Welt, wo ich mir ein schickes Einzelzimmer reserviert hatte.

Lange galt der Ort an der galicischen Küste als der westlichste Europas, was aber nicht stimmt. Das ist aber auch fast egal, weil man dort wie auch in Muxía neben dem obligatorischen Leuchtturm einen Null-Kilometer-Stein findet, der für Fotos tauglich ist. Beide Orte sind ansonsten nicht außerordentlich interessant und ein klein wenig heruntergekommen. Spannender war für mich, dass sich dort in besonderer Weise das fortsetzte, was mir schon auf dem Camino aufgefallen war: Man trifft irgendwann alle Leute wieder, die man unterwegs kennengelernt hat, und zwar ohne dass es dafür einer besonderen Verabredung bedarf. Dabei lösen sich oft zugleich Probleme auf wundersame Weise.

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In Fisterra zum Beispiel treffe ich am Hafen unvermittelt auf Sue und Dave aus Birmingham und Dat aus New York. Am Nebentisch sitzt Jon aus New York, was mir aber erst nach circa drei Minuten klar wird. Die Engländer und Jon hatte ich mindestens zwei Wochen nicht gesehen, Dat einige Tage nicht. Dave löst spontan ein Problem für mich: Eigentlich wollte ich mit einem gemieteten Rad die 28 Kilometer von Fisterra nach Muxía hin und zurück radeln, aber der Fahrradverleih hat meine Reservierung aus unerfindlichen Gründen storniert, und beim Friseur habe ich bei einem Zehn-Euro-Haarschnitt erfahren, dass es in ganz Fisterra keine Alternative gibt.

Die Lösung: Dave und Sue haben einen Fiat 500 gemietet, und so fahren wir zuerst zusammen mit Dat zum Kap Fisterra und am nächsten Tag zu Dritt nach Muxía, wo sie mich freundlicherweise in ihrem Apartment übernachten lassen. Wir haben dafür inzwischen ein geflügeltes Wort: “The Camino provides – der Weg gibt dir, was du brauchst.” Am Tisch lamentiere ich, dass ich meinen praktischen S-Haken verloren habe, mit dem man Rucksäcke so toll an Stockbetten aufhängen kann. Ein amerikanischer Pilger zieht einen aus dem Rucksack und schenkt ihn mir, weil er zwei davon hatte. In Muxía treffe ich einen irischen Mitpilger, den ich ewig nicht gesehen hatte. So geht das ständig, es ist schon fast unheimlich. Andere Pilger berichten ähnliches.

Zurück in Santiago treffe ich Amy aus den USA und Gea aus den Niederlanden. Wir bereiten Pilgern auf dem Platz vor der Kathedrale einen Empfang, gehen gemeinsam zum Mittag- und zum Abendessen und können gar nicht glauben, dass das alles irgendwann vorbei ist, und zwar ziemlich bald. Beim Abendessen lernen wir noch Andrea aus Bayern kennen, die von portugiesischen Küstenweg kommt, alleine in der Tür des Restaurants steht und nach einem Einzeltisch fragt. Wir bieten ihr einen Platz an unserem Tisch an, und es wird ein wunderbarer Abschiedsabend für uns alle. Die Krönung erwartet Achim aus Trier, Andrea und mich aber, als wir planlos über den Platz vor der Kathedrale schlendern und eine Band unter den Arkaden zu spielen beginnt. Wir gehen hinüber und singen wenig später “Guantanamera” und “Bésame mucho”.

Eine lokale Band spielt unter den Arkaden des Platzes vor der Kathedrale den Schlager “Bésame mucho”.

Tags darauf lassen ich mich ziellos durch die Gassen der Stadt treiben und bleibe schließlich auf der Terrasse des Parador von Santiago sitzen. Ich genieße die Sonne, bestelle einen Café solo und esse mein letztes Stück Mandeltorte, bevor ich los zum Flughafen muss. In der Ferne hört man einen galicischen Dudelsackspieler. Irgendwann finde ich auch die Haltestelle der Linie 6A, die mich zum Flughafen bringt. Die Fahrt kostet einen Euro.

Ich überlege, ob ich nicht im Herbst den portugiesischen Camino ab Porto laufen könnte. Dauert nur zehn Tage, man könnte noch Fisterra oder Muxía dranhängen, dann wären’s vierzehn… In den WhatsApp-Gruppen dominieren inzwischen die Heimkehrer und der Wehmut. Manche sind besorgt, dass sie den Einstieg nur schwer wieder schaffen und dass die zu Hause sie nicht verstehen werden. Da ist was dran. Holger aus Hannover kennt beide Seiten: Seine Frau war vor ihm auf dem Camino. Jetzt kann er vieles besser nachempfinden. Also: Schickt Eure Lieben auf den Weg!

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Der Camino Portugués ab Porto – in zehn Tagen kann man das schaffen…
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